Ruhe sauber, Else Kling
BZ-Autor Uwe Kopf schreibt einen Dankesbrief an die Hausmeisterin der Herzen, die wir heute zum allerletzten Mal in der "Lindenstraße" sehen
Liebe Else,
es geht ja wohl in Ordnung, daß ich Dich mit Deinem Vornamen anrede, denn wir kennen uns immerhin 21 Jahre, und ich kann mich nicht erinnern, jemals jeden Sonntag auf eine andere Frau gewartet zu haben. Jetzt bis Du schon 91, wirkst aber wie 89, Du hörst nicht mehr so gut, doch Dein Hirn und Deine Instinkte funktionieren noch einwandfrei - letzten Sonntag hast Du dem Bengel der Beimers mit einer Gabel in den Hintern gepiekst, weil der Junge sich nicht benehmen kann.
Ach, Else, das Leben hat Dich nicht gebrochen, Du ertrugst den Tod Deines Mannes Egon ebenso wie manche Charakterfehler Deines Sohnes Olaf, der Frauen schlug und schändete. Deine Neugier und Leidenschaft halten Dich fit, keinesfalls bist Du eine Spießerin oder der Hausdrache, da irren sich die Anwohner der "Lindenstraße" - Du bist das Gewissen dieser Straße gewesen, die Moral mit Kopftuch und Kittel! Deine ständige Angst vor Sodom und Gomera war berechtigt, aber, Else, nun zum Schluß sage ich Dir mal, die Stadt heißt nicht Gomera, sondern Gomorrha, dort sündigten die Leute genauso wie in der "Lindenstraße", bis der Engel kam und sie strafte.
Heute gehst Du zu den Engeln, Dein Olaf fährt in die Berge, während Du daheim den letzten Schnauferl tust, aber vorher noch mal die vielen, vielen Folgen der "Lindenstraße" bedenkst. Fürchten mußte ich um Dich, als Du Dich eingelassen hast mit Onkel Franz, dem Altnazi, und mit dem Gewohnheitsverbrecher Olli Klatt, der ja sogar bei Dir wohnen durfte, und ich meine erkannt zu haben, daß es zwischen Olli und Dir zum Äußersten gekommen ist, aber eindeutige Sexszenen wolltest Du nicht mehr spielen. Adieu, Else, es wäre mir eine Ehre gewesen, wenn Du auch mal meinen Briefkasten durchsucht hättest! Die "Lindenstraße" wird es weiter geben, vielleicht übernimmt der Vietnamese Gung Deinen Job als Hausmeister, aber die "Lindenstraße" ohne Dich: Das ist doch wie Berlin ohne Siegessäule.
Dein Uwe
|