Aus der online-Ausgabe des SPIEGEL vom 24.11.2006...:
"POPSTARS"-FINALE
Tränen und Kommerz
Von Peer Schader
Senna, Bahar und Mandy sind die Mitglieder der neuen Mädchenband Monrose: Das dreistündige "Popstars"-Finale von ProSieben bot jede Menge Raum für Werbekunden - und sogar ein paar Überraschungen jenseits der Reklame.
Um viertel nach zehn drohte für einen Moment alles zu kippen. Nach zwei Stunden Show hatte Jurymitglied Dieter Falk gerade mit zittriger Stimme Kandidatin Kati rausgeschmissen, eine der Favoritinnen dieses Abends, die man schon fest in der neuen Band geglaubt hätte. Zuvor hatte bereits Ari gehen müssen. Aber jetzt, bei Kati, standen am Bühnenrand weinende Teenager, aus dem Publikum kamen sehr laute Buh-Rufe, Moderator Oli Petszokat wusste auch nicht mehr, was er noch sagen sollte, und Falk hing völlig aufgelöst überm Bühnensofa.
Das alles wirkte sehr irritierend, und wenn die Zuschauer auf die Bühne gestürmt gekommen wären, um die Studiodekoration zu zerlegen, hätte man sich auch nicht weiter gewundert in diesem Moment. ProSieben aber machte das, was jeder gute Privatsender in einer solchen Situation getan hätte: einen Werbespot für eine Haarkur zu senden. Tränen und Kommerz, so lässt sich die fünfte "Popstars"-Staffel vielleicht am besten zusammenfassen.
Stefan Raab als Tröster
Nach ein paar Sekunden erfolgte die Schalte zurück ins Studio nach Köln-Mülheim. Dort musste Falks Jurykollege Detlev "D!" Soost ein Machtwort sprechen: Es sei nicht fair, die Jury für diese Entscheidung auszubuhen, "die uns so schwer gefallen ist". Jeder Name, der an Katis Stelle gefallen wäre, hätte ebenso für Entsetzen gesorgt. Soost hat Recht.
Und man war richtig froh, nach der darauf folgenden Werbepause Stefan Raab zu sehen, der die beiden ausgeschiedenen Kandidatinnen im Arm hatte und ankündigte, nach der Show im Studio nebenan bei "TV total" die neue Band zu begrüßen. "Ich bin schon bei so vielen Plattenfirmen rausgeflogen, bevor ich zum Fernsehen gekommen bin", tröstete er Kati und Ari ungewohnt einfühlsam und scherzte dann: "Jetzt wollen wir nur hoffen, dass Oli P. nicht in die Band gewählt wird."
Knapp eine Stunde später stand fest: Die neue Girlband Monrose besteht aus Senna, 26, Bahar, 18, und der 16-jährigen Mandy, die sich im Zuschauervoting ganz zum Schluss gegen ihre Konkurrentin Romina durchsetzte. Es ist also doch noch ein ziemlich spannendes "Popstars"-Finale geworden, obwohl die von ProSieben auf drei Stunden ausgewalzte letzte Entscheidungsshow eigentlich nur noch ein lästiger Pflichttermin war.
Die Konstellation ist überraschend
15 Wochen hatten die Fans der Sendung ausgeharrt, um mitzuverfolgen, was junge Menschen freiwillig durchzustehen bereit sind, um ihren Traum vom Popstar-Sein zu verwirklichen. Erst im Trainingsanzug und in Schlabberklamotten während der Wochen im Workshop, nun vor Live-Publikum, 4,6 Millionen Zuschauern am Bildschirm und im Abendkleid. Respekt.
Die Band, wie es sie jetzt gibt, hätte man sich so vor ein paar Wochen wahrscheinlich nicht vorstellen können. Im letzten Moment sind tatsächlich alle Favoritinnen auf der Strecke geblieben. Die überehrgeizige Leo musste schon vor dem Finale gehen. Zumindest aber Kati oder Romina hätte man wegen ihrer Professionalität auf einem sicheren Platz geglaubt.
Das Procedere, mit dem über die Band entschieden wurde, ging so: Die ersten beiden Plätze bestimmte die Jury, einzig den dritten Platz konnten die Zuschauer per Voting vergeben. Soost hat das nachher ganz gut erklärt: Die Zuschauer entscheiden emotional, aber die Jury wolle, dass die Band möglichst lange bestehen bleibt - deshalb müsse man akzeptieren, Favoritinnen gehen zu lassen, wenn es der Gesamtkonstellation helfe.
Die nächste Verschwörung, bitte!
Dass Mandy und Bahar tatsächlich in der Band sind, wird die Verschwörungstheoretiker auf den Plan rufen: Vor einer Woche wurde bei
Amazon schon die erste Monrose-Single gelistet, die Anfang Dezember erscheint. Auf dem Cover sind neben Kati auch die beiden jetzigen Gewinnerinnen abgebildet. ProSieben versichert jedoch, die Cover vorher in allen möglichen Bandkonstellationen fotografiert zu haben, um die Single rechtzeitig auf den Markt bringen zu können.
Im Netz kursiert seitdem die Vermutung, ProSieben habe die Zuschauer für eine Abstimmung gewinnen wollen, die längst entschieden ist. Aber was soll's? Dass das umstrittene Cover die ganze Woche über und auch am Freitagmorgen noch beim Amazon-Konkurrenten Bol als Platzhalter für die "Popstars"-Single stand, hat ja auch niemanden gestört.
Der Kommerz ist eben fester Bestandteil von "Popstars". Album und Video sind längst produziert, und noch während die Entscheidung auf ProSieben lief, konnte man online längst Merchandising-Tassen, Shirts und Taschen mit dem Bandlogo bestellen. In den kommenden Wochen sind die jungen Damen vermutlich rund um die Uhr auf Promotiontour. Der erste Auftritt ist am Freitag beim RTL2-"Dome".
"Hast du Valium geschluckt?"
Nachher saßen Monrose wie angekündigt bei Raab in "TV total" und Bandmitglied Senna, die "Krasse", über die sich Raab in den zurückliegenden Wochen immer mal wieder lustig gemacht hatte, gab dem Moderator so charmant Kontra, dass man sie gerne öfter bei "TV total" sehen würde. "Meine Mama hat echt gedacht, aus mir wird nix", grinste sie.
Anschließend lieferten die drei noch die beste Performance ihres ersten Songs "Shame" ab, der am Abend zuvor schon dreimal gesungen worden war, aber nie so schön wie mit Live-Begleitung der "TV total"-Band und einem quietschenden Raab als Chorusverstärker.
Auch Falk, Soost und Jurykollegin Nina Hagen waren zu Gast. Falk sagte: "Das war der härteste Tag in meinem Leben." Und Soost wunderte sich: "Es ist so eine ruhige Stimmung heute - sonst wird man doch immer auseinandergenommen, wenn man hier ist. Hast du Valium geschluckt?" Nein, konterte Raab: "Ich will euch erstmal in Sicherheit wiegen."
Insgesamt ein recht komischer Abend auf ProSieben. So was möchte man bald mal wieder sehen.
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Monrose: Single "Shame" ab 1. Dezember, Album "Temptation" ab 8. Dezember. ProSieben zeigt ab kommenden Donnerstag um 20.15 Uhr die Banddoku "Ninas Engel".
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,450460,00.html