Aus der online-Ausgabe des SPIEGEL vom 06. November 2006...:
SCHIFFSTRANSFER
E.on schaltet Leitungen heute wieder ab
Mehr als zehn Millionen Menschen ohne Strom - und noch immer ist der Grund unklar: Der Energiekonzern E.on bezweifelt, dass eine abgeschaltete Hochspannungsleitung über der Ems allein daran schuld war. Am Abend wird die Leitung erneut lahmgelegt, um ein Kreuzfahrtschiff passieren zu lassen.
Hamburg - Die Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg will nach dem Stromausfall am Wochenende heute Abend einen zweiten Versuch unternehmen und das Kreuzfahrtschiff "Norwegian Pearl" durch die Ems in die Nordsee überführen. Die Abschaltung einer Hochspannungsleitung über der Ems beim ersten Versuch, das riesige Schiff unter der Trasse hindurchzumanövrieren, hatte am Samstagabend zu Stromausfällen in weiten Teilen Westeuropas geführt. Mehr als 10 Milionen Menschen waren ohne Strom.
Ein Zeitproblem entstehe für die Meyer-Werft durch die Verzögerung nicht, sagte ein Sprecher der Werft in Papenburg am Montag. "Wir haben bis zum 28. November Zeit, das Schiff an die Reederei zu übergeben. Dafür ist der Puffer groß genug." Die Frage nach einem Schadenersatzanspruch gegenüber dem Energiekonzern E.on stelle sich daher nicht.
E.on- Energie- Vorstand Klaus- Dieter Maubach räumte heute im ZDF die Verantwortung für den Stromausfall ein. "Das war im Grunde genommen der Ursprung für diese Versorgungsstörung - dass wir dort eine Leitung außer Betrieb nehmen mussten und dass dort die Belastungen sich auf andere Leitungen verteilt haben, die später zu Überlastungen geführt haben", sagte Maubach.
E.on bezweifelte allerdings, dass die Abschaltung der Hochspannungsleitung allein für den Stromausfall in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien und Österreich verantwortlich war. Im Bayerischen Rundfunk wies Eon-Netz-Sprecher Christian Schneller darauf hin, dass "die Störungen erst eine halbe Stunde nach der Abschaltung aufgetreten sind".
Der Bundesverband Windenergie wies Vorwürfe zurück, die Einspeisung von Strom alternativer Erzeuger habe zu einer Überlastung des Netzes und damit zum Stromausfall geführt. "Wir haben am Samstag 30 Prozent unserer maximalen Kapazität geliefert", sagte Ralf Bischof, Geschäftsführer des Verbandes, zu SPIEGEL ONLINE. Die gelieferte Strommenge habe dem entsprochen, was am Freitag aufgrund von Wetterprognosen vorhergesagt worden war. Insofern könne man den Windenergie-Erzeugern nicht vorwerfen, Schuld am Stromausfall zu sein. Zudem habe man am Samstag, als bekannt wurde, dass es Probleme gebe, Kapazitäten in Ostdeutschland zügig abgeschaltet. "Insgesamt war das Netz aber nur schwach ausgelastet und in keinem kritischen Zustand", erklärte Bischof.
Ein Sprecher der Werft sagte, weil E.on nach dem Blackout den Strom auf der Leitung wieder angestellt habe, habe das Schiff seine Fahrt nicht fortsetzen können. Für Schiffe mit einer Höhe von rund 60 Metern sei es viel zu riskant, unter einer Hochspannungsleitung hindurchzufahren, die in Betrieb sei. "Da könnte ein Funke überspringen oder die Leitungen könnten durchhängen." Es müsse daher immer ein Sicherheitsabstand von etwa fünf Metern zwischen Schiff und Leitung eingehalten werden.
Dass es bei Überführungen zu Verzögerungen komme, sei für die Werft nichts Ungewöhnliches, fügte der Sprecher hinzu. So müsse zum Beispiel das Wetter mitspielen. Ein Zwischenfall wie am Wochenende habe sich jedoch in den bisherigen 19 Überführungen von Kreuzfahrtriesen noch nicht ereignet.
Der Luxuskreuzer "Norwegian Pearl" mit seiner üppigen Außenbemalung in Form einer Perlenschnur ist das neueste Flaggschiff der Papenburger Meyer Werft. Das 294,1 Meter lange und 32,2 Meter breite Schiff kostet rund 400 Millionen Euro und erreicht eine Geschwindigkeit von mehr als 24 Knoten (rund 44 Stundenkilometer). Bis zu 12.000 Arbeiter haben 22 Monate lang an dem Schiff gebaut. In seinen 1197 Kabinen kann der Luxuskreuzer 2400 Passagiere aufnehmen.
kaz/mik/Reuters/dpa
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,446721,00.html