Katastrophe von Tschernobyl
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Am 26. April 1986 ereignete sich in der Stadt Prypjat, Ukraine (damals Sowjetunion) eine katastrophale Kernschmelze und Explosion im Kernreaktor Tschornobyl Block 4. Der Hergang des Unfalls ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Er gilt als die zweitschwerste nukleare Havarie nach der von Majak und war eine der größten Umweltkatastrophen überhaupt.
Bekannt ist diese Katastrophe unter dem russischen Namen der Nachbarstadt Tschernobyl, da Russisch zum Zeitpunkt der Katastrophe Hauptamtssprache war. Der heute amtliche ukrainische Name der Stadt lautet Tschornobyl. Vereinzelt werden auch die englischen Schreibweisen Chernobyl bzw. Chornobyl verwendet.
Die Katastrophe
Als Ursache gelten neben bauartbedingten Eigenschaften des Kernreaktors (RBMK-1000) und dessen Betrieb in einem unzulässigen Leistungsbereich auch mangelnde Erfahrung und Kompetenz des Betriebspersonals sowie die Verletzung von Betriebsvorschriften. In diesem Zusammenhang war paradoxerweise die manuell eingeleitete Reaktorschnellabschaltung der Auslöser der Katastrophe.
Tschornobyl in der Oblast KiewDa Kernkraftwerke Strom nicht nur erzeugen, sondern auch verbrauchen (beispielsweise für den Betrieb der Kühlpumpen, Mess- und Anzeigetechnik) und diesen aus dem Netz entnehmen, muss sichergestellt sein, dass bei einem totalen Stromausfall genügend elektrische Leistung zur Verfügung steht, um den Reaktor sicher abzuschalten.
In einem anstehenden Experiment sollte geprüft werden, ob die Leistung der bei der Abschaltung langsam auslaufenden Turbine die Zeit bis zum Anlaufen von Dieselgeneratoren (etwa 40–60 Sekunden) überbrücken kann. Ein früherer Versuch im Block 3 des Kraftwerks war zuvor gescheitert, weil die Spannung zu schnell absank. Nun sollte der Versuch mit einem verbesserten Spannungsregler wiederholt werden. Diesen erneuten Versuch führte man bei einer Routineabschaltung des Reaktors durch.
25. April 1986, 1:00: Als erster Schritt sollte die Leistung des Reaktors von ihrem Nennwert bei 3.200 Megawatt thermisch (=MWth) auf 1.000 MWth reduziert werden, wie bei einer Regelabschaltung üblich. Um 13:05 wurde auf Anweisung des Lastverteilers in Kiew die Leistung bei 1.600 MWth stabilisiert.
23:10: Die Leistung wurde weiter abgesenkt. Nach dem Schichtwechsel um 24:00 schaltete die neue Mannschaft um 00:28 bei 500 MWth die automatische Reaktorleistungsregelung um. Durch einen Bedienfehler, durch den der Sollwert für die Gesamtleistungsregelung anscheinend nicht richtig eingestellt wurde, oder auf Grund eines technischen Defekts sank die Leistung weiter bis auf nur etwa 30 MW.
Wie nach jeder Leistungsabsenkung erhöhte sich vorübergehend die Konzentration des Isotops Xenon-135 im Reaktorkern („Xe-Vergiftung“). Da Xenon-135 die für die nukleare Kettenreaktion benötigten Neutronen sehr stark absorbiert, nahm aufgrund der Konzentrationszunahme die Leistung des Reaktors immer weiter ab. Als die Betriebsmannschaft am 26. April 1986 um 00:32 Uhr die Leistung des Reaktors durch weiteres Ausfahren von Regelstäben wieder anheben wollte, gelang ihr das infolge der mittlerweile aufgebauten Xe-Vergiftung nur bis zu etwa 200 MW oder 7 % der Nennleistung.
Obwohl der Betrieb auf diesem Leistungsniveau unzulässig war (laut Vorschrift durfte der Reaktor nicht unterhalb von 20 Prozent der Nennleistung betrieben werden) und sich zu diesem Zeitpunkt außerdem viel weniger Regelstäbe im Kern befanden, als für einen sicheren Betrieb notwendig waren, wurde der Reaktor nicht abgeschaltet, sondern das Signal zum Beginn des Testlaufs gegeben.
26. April 1986, 01:03 bzw. 01:07: Um die zusätzliche Last des bei Turbineneinlassventilschließung anfahrenden Kernnotkühlsystems zu simulieren, wurden nacheinander zwei zusätzliche Hauptkühlmittelpumpen in Betrieb genommen. Infolge des erhöhten Kühlmitteldurchsatzes nahm der Dampfblasengehalt im Reaktorkern weiter ab. Die Reaktivitätsabnahme führte zum Herausfahren weiterer Regelstäbe, um die Leistung zu stabilisieren. Dies wäre der letzte Zeitpunkt gewesen, an dem man den Reaktor noch durch eine Notabschaltung hätte retten können.
01:19: Zur Stabilisierung des fallenden Wasserstands in den Dampfseparatoren wurde die Speisewasserzufuhr erhöht. Dies führte jedoch zu weiterer Unterkühlung und Abnahme des Dampfblasengehalts, welches wiederum durch Stabausfahren kompensiert wurde. In den folgenden Minuten versuchten die Operateure durch Regulierung der Speisewasser- und Turbinendampfzufuhr Wasserstand und Druck zu stabilisieren. Beide Parameter hätten zu einer Reaktorschnellabschaltung geführt; entsprechende Warnanzeigen wurden jedoch blockiert. Der Reaktor befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem äußerst instabilen Zustand, in dem jede kleinste Veränderung eines Parameters schwerwiegende Folgen haben konnte.
01:23: Der eigentliche Test begann. Das Haupteinlassventil der Turbine wurde geschlossen und somit dem Generator, dessen Auslaufenergie man messen wollte, die Kraftzufuhr genommen. Dadurch wurde die Wärmeabfuhr aus dem Reaktor unterbrochen, die Temperatur stieg an und Kühlmittel verdampfte.
Im Gegensatz zu Leichtwasserreaktoren westlicher Bauart, in denen das Kühlmittel gleichzeitig Moderator ist, haben Reaktoren des RBMK-Typs im unteren Leistungsbereich einen positiven so genannten Dampfblasenkoeffizient (Voidkoeffizient). Das bedeutet, dass mit zunehmendem Verdampfen des Kühlmittels die Reaktivität des Reaktors steigt.
Genau das geschah auch hier. Der dadurch wachsende Neutronenfluss bewirkte einen verstärkten Abbau der im Kern angesammelten Neutronengifte (insbesondere Xe-135). Dadurch stiegen Reaktivität und Reaktorleistung immer schneller an, wodurch wieder größere Mengen Kühlmittel verdampften. Die Situation geriet langsam außer Kontrolle. Um 01:23:35 löste der Schichtleiter manuell die Notabschaltung des Reaktors aus.
Dazu wurden alle zuvor aus dem Kern entfernten Steuerstäbe wieder in den Reaktor eingefahren, doch hier zeigte sich ein weiterer Konzeptionsfehler des Reaktortyps: Durch die an den Spitzen der Stäbe angebrachten Graphitblöcke (Graphit war der Hauptmoderator des Reaktors) wurde beim Einfahren eines vollständig herausgezogenen Stabs die Reaktivität kurzzeitig erhöht, bis der Stab tiefer in den Kern eingedrungen war.
Die durch das gleichzeitige Einführen aller Stäbe (über 250) massiv gesteigerte Neutronenausbeute ließ die Reaktivität so weit ansteigen, bis schließlich (um 01:23:44) die prompten Neutronen alleine (also ohne die verzögerten Neutronen) für die Kettenreaktion ausreichten („prompte Kritikalität“) und die Leistung innerhalb von Millisekunden das Hundertfache des Nennwertes überschritt („nukleare Leistungsexkursion“).
Die Hitze verformte die Kanäle der Regelstäbe, so dass diese nicht weit genug in den Reaktorkern eindringen konnten, um ihre volle Wirkung zu erzielen, und sie ließ die Druckröhren reißen und das Zirkonium der Brennstäbe mit dem umgebenden Wasser reagieren. Wasserstoff entstand in größeren Mengen und bildete mit dem Sauerstoff der Luft Knallgas, das sich vermutlich entzündete und zu einer zweiten Explosion (nur Sekunden nach der „nuklearen Exkursion“) führte.
Welche Explosion zum Abheben des über 1.000 Tonnen schweren Deckels des Reaktorkerns führte, ist nicht ganz klar. Außerdem zerstörten die Explosionen das (nur als Wetterschutz ausgebildete) Dach des Reaktorgebäudes, sodass der Reaktorkern nun nicht mehr eingeschlossen war und direkte Verbindung zur Atmosphäre hatte. Der glühende Graphit im Reaktorkern fing sofort Feuer. Insgesamt verbrannten während der folgenden 10 Tage 250 Tonnen Graphit, das sind etwa 15 Prozent des Gesamtinventars.
Große Mengen an radioaktiver Materie wurden durch die Explosionen und den anschließenden Brand des Graphit-Moderators in die Umwelt freigesetzt, wobei die hohen Temperaturen des Graphitbrandes für eine Freisetzung in große Höhen sorgten. Insbesondere die leicht flüchtigen Isotope Iod-131 und Cäsium-137 bildeten gefährliche Aerosole, die in einer radioaktiven Wolke teilweise hunderte oder gar tausende Kilometer weit getragen wurden, bevor sie der Regen aus der Atmosphäre auswusch. Radioaktive Metalle mit höherem Siedepunkt wurden hingegen vor allem in Form von Staubpartikeln freigesetzt, die sich in der Nähe des Reaktors niederschlugen.
Gegen 05:00 waren die Brände außerhalb des Reaktors gelöscht. Block 3 wurde abgeschaltet.
27. April 1986: Die Blöcke 1 und 2 wurden um 01:13 bzw. 02:13 abgeschaltet. Es wurde begonnen, den Reaktor mit Blei, Bor, Dolomit, Sand und Lehm zuzuschütten. Dies verringerte die Spaltproduktfreisetzung und deckte das brennende Graphit im Kern ab.
Am 6. Mai 1986 wurde die Spaltproduktfreisetzung weitgehend unterbunden.
Vergleich zu Reaktoren westlicher Bauart
Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen dem in Tschornobyl eingesetzten Reaktortyp RBMK und den meisten Reaktoren westlicher Bauart ist, dass in letzteren das Kühlwasser gleichzeitig als Moderator fungiert. Kommt es bei einem der typischen westlichen Reaktoren zum Verdampfen des Kühlmittels, verringert sich gleichzeitig die Moderatorleistung und damit die Neutronenausbeute, sodass die Reaktivität entsprechend verringert wird. Beim Tschornobyl-Typ hingegen ist die Moderationsleistung des Graphits konstant und ein Verdampfen des Kühlwassers steigert die Reaktivität weiter.
Aus diesem Grund muss vor einer Genehmigung moderner Reaktoren bewiesen sein, dass ihr Dampfblasenkoeffizient immer negativ bleibt.
Inzwischen wurden an den Reaktoren des RBMK-Typs weitere Verbesserungen vorgenommen (höhere Uran-Anreicherung, mehr Kontrollstäbe), die den Dampfblasenkoeffizienten in Bereiche bringen, in denen er auch bei niedrigen Leistungen beherrschbar bleibt. Dadurch wurden jedoch einige der ursprünglichen Designziele des Typs ausgehebelt.
Eine letzte Schwäche in der Konstruktion des Kernkraftwerks in Tschornobyl war, dass es nicht wie die meisten modernen Reaktoren in einen massiven Sicherheitsbehälter (Containment) eingebettet war, auch wenn unklar ist, ob ein solches Containment der Wucht der Explosionen bei diesem Unglück standgehalten hätte. So konnten große Mengen an radioaktiven Stoffen in die Atmosphäre entweichen. Das Graphitfeuer, das sich nach dem Absprengen des Daches entzündete und fast 14 Tage brannte, beförderte weitere Mengen radioaktiven Materials in die Luft.
Gesundheitsschädigende Folgen
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Vorbemerkung
Die Folgen des Unglücks werden nach wie vor sehr kontrovers diskutiert. Eine im September 2005 veröffentlichte Studie des Tschernobyl-Forums beschreibt die gesundheitlichen, ökologischen und sozioökonomischen Auswirkungen aufgrund einer sehr umfangreichen Untersuchung von über 100 Experten der teilnehmenden Organisationen. Das Tschernobyl-Forum besteht aus 8 Organisationen der UNO (der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP), der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), dem Büro der Vereinten Nationen zur Koordinierung der humanitären Hilfe (OCHA), dem Wissenschaftliche Komitee der Vereinten Nationen über die Wirkungen atomarer Strahlungen (UNSCEAR) und der Weltbank) sowie den Regierungen von Weißrussland, Russland und der Ukraine.
Die Studie des Tschornobyl-Forums stimmt in ihren Ergebnissen mit anderen internationalen Untersuchungen grundsätzlich überein. Von Kernenergie-kritischer Seite werden die Ergebnisse trotzdem nicht anerkannt und als verharmlosend eingestuft. Die nachfolgenden Angaben stammen im Wesentlichen aus der Studie des Tschernobyl-Forums.
Strahlenexponierte Personengruppen
Unmittelbar nach dem Unglück und bis Ende 1987 wurden etwa 200.000 Aufräumarbeiter („Liquidatoren“) eingesetzt. Davon erhielten ca. 1.000 innerhalb des ersten Tages nach dem Unglück sehr hohe Strahlendosen im Bereich von 2 bis 20 Gray (externe Gamma-Bestrahlung). Die restlichen Liquidatoren erhielten demgegenüber wesentlich geringere Strahlendosen bis zu maximal etwa 500 milli-Sievert (mSv), bei einem Mittelwert von etwa 100 mSv. Die Zahl der Liquidatoren erhöhte sich in den nächsten Jahren auf insgesamt etwa 600.000, doch erhielten die später eingesetzten Liquidatoren deutlich geringere Dosen.
Im Frühjahr und Sommer 1986 wurden etwa 116.000 Personen aus der 30-Kilometer-Zone rund um den Reaktor evakuiert. Später wurden zirka 240.000 weitere Personen umgesiedelt. Für die ukrainischen Evakuierten wurde mittlerweile in mühevoller Kleinarbeit ein mittlerer Dosiswert von 17 mSv (Schwankungsbereich 0,1 bis 380 mSv) errechnet, für die weißrussischen Evakuierten ein Mittelwert von 31 mSv (mit einem maximalen Durchschnittswert in zwei Ortschaften von 300 mSv).
In den ersten Tagen nach dem Unfall führte die Aufnahme von radioaktivem Jod mit der Nahrung zu stark schwankenden Schilddrüsendosen in der allgemeinen Bevölkerung von im Mittel etwa 0,03 bis 0,3 Gy mit Spitzenwerten bis zu etwa 50 Gy. Eine Ausnahme davon bildeten die Einwohner von Prypjat, die durch die rechtzeitige Ausgabe von Tabletten mit stabilem Jod wesentlich geringere Schilddrüsendosen erhielten.
Die nicht evakuierte Bevölkerung erhielt während der fast 20 Jahre seit dem Unfall sowohl durch externe Bestrahlung als auch durch Aufnahme mit der Nahrung als interne Strahlenexposition effektive Gesamtdosen von im Mittel etwa 10 bis 20 mSv bei Spitzenwerten von einigen 100 mSv. Das ist weniger, als andere Bevölkerungsgruppen in Gegenden mit erhöhter natürlicher Strahlenexposition erhalten (bis zu über 25 mSv pro Jahr).
Heute erhalten die fünf Millionen Betroffenen in kontaminierten Gebieten generell Tschernobyl-bedingte Dosen von unter 1 mSv/Jahr, doch rund 100.000 erhalten immer noch mehr als 1 mSv pro Jahr (zum Vergleich: Der Durchschnittswert der natürlichen Strahlenexposition in Deutschland beträgt um 2,4 mSv pro Jahr).
Gesundheitliche Folgen in der Unglücksregion
Die Langzeitfolgen des Unglücks sind schwer abzuschätzen. Wegen der Unsicherheit vieler Daten und epidemiologischer Modell-Parameter sind alle Voraussagen über zukünftige Morbiditäts- oder Mortalitätszahlen mit Vorsicht zu betrachten.
Akute Strahlenkrankheit
Akute Strahlenkrankheit wurde zunächst bei 237 Personen vermutet und bei 134 Personen (insbesondere Kraftwerksbeschäftigte und Feuerwehrleute) bestätigt. Von diesen sind bis heute 47 verstorben, einige möglicherweise auch aus anderer Ursache.
Schilddrüsenkrebs und andere Krebsarten
In Weißrussland, Russland und der Ukraine ist bisher bei etwa 4.000 Personen, die beim Unglück als Kinder oder Jugendliche bestrahlt wurden, Schilddrüsenkrebs beobachtet worden. Es wird vermutet, dass diese Häufung auf die Strahlung zurückzuführen ist. Neun der Erkrankten sind bisher am Krebs gestorben. Die Schilddrüsenkrebserkrankungen halten weiter an, auch wenn der Höhepunkt überschritten zu sein scheint. Es wird noch mit einer Verdoppelung der Erkrankungsfälle gerechnet. Umstritten ist, ob ein erhöhtes Schilddrüsenkrebs-Risiko auch für Menschen besteht, die zum Zeitpunkt der höchsten Belastung durch radioaktives Jod bereits erwachsen waren.
Ein Anstieg der Fälle von Leukämie ist bisher nicht klar feststellbar, kann aber auch nicht eindeutig widerlegt werden, da es schwache Hinweise auf eine vielleicht doch erhöhte Häufigkeit unter den 'Liquidatoren' und Bewohnern stark betroffener Gebiete in der Ukraine gibt. Diesbezüglich sind weitere Beobachtungen abzuwarten. Bei anderen Krebsarten wurde bisher keine strahlenbedingt erhöhte Krebshäufigkeit beobachtet. Infolge der meist sehr langen Latenzzeiten kann ein zukünftiges Auftreten aber auch nicht ausgeschlossen werden. Auch hier sind noch weitere Beobachtungen notwendig.
Strahlenbedingte Krebstodesfälle
Die Schätzungen und Berechnungen über noch zu erwartende strahlenbedingte Todesfälle gehen weit auseinander. In der Studie des Tschernobyl-Forums wird auf Basis der linearen Dosis/Wirkungs-Beziehung berechnet, dass noch etwa 4.000 strahlenbedingte Krebstodesfälle als Spätfolgen des Reaktorunglücks eintreten könnten. Da die Individualdosen größtenteils sehr niedrig sind, halten viele Experten diese Rechnung für äußerst konservativ. Für häufig genannte wesentlich höhere Zahlen fehlt eine sachlich nachvollziehbare Begründung.
Strahlenbedingte Krebstodesfälle außerhalb von Russland, Weißrussland und der Ukraine wurden bisher nicht beobachtet und solche Beobachtungen sind auch zukünftig nicht zu erwarten.
Erbschäden und strahlenbedingte Veränderungen des Genoms
Bisher wurde weder eine reduzierte Fruchtbarkeit bei Männern oder Frauen, noch eine erhöhte Anzahl von Fehlgeburten oder genetischen Defekten in der Nachkommenschaft beobachtet.
Andere (körperliche) Gesundheitsfolgen
Bei Erkranken mit dem Grauen Star wird ein Zusammenhang mit radioaktiver Belastung vermutet. Bei Dosen oberhalb von 250 mGy scheint eine Zunahme der Bildung von Grauem Star aufzutreten. Einer solchen Dosis waren z. B. die Aufräumarbeiter in den ersten Tagen ausgesetzt. Weiterhin wurde bei Notfall-Einsatzkräften von Tschernobyl ein höheres Erkrankungsrisiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten festgestellt. Ob dieses höhere Erkrankungsrisiko ursächlich auf höhere Strahlendosen oder auf höhere psychische Belastung zurückzuführen ist, konnte durch die Studie nicht geklärt werden.
Mentale Gesundheit und psychosoziale Auswirkungen
Eine erhebliche Belastung für die Gesundheit durch die Katastrophe von Tschernobyl liegt in direkt oder indirekt von ihr verursachten mentalen und psychosozialen Folgen. Als mentale Folgen des Unglücks werden unter anderem Angst vor möglichen Folgen der Strahlung, das Drängen in eine Opferrolle, die zu einem Gefühl sozialer Ausgrenzung führt, sowie Stress in Zusammenhang mit Evakuierung und Umsiedlung genannt. Angst kann zu Krankheitserscheinungen und zu gesundheitsschädigendem Lebenswandel (Ernährung, Alkohol, Tabak) führen. Auch die hohe Suizidrate der Region wird damit erklärt. Inwiefern die fahrlässig oder bewusst falsche Informationspolitik (von welcher Seite auch immer) in Bezug auf die tatsächlichen Folgen des Unglücks die Unsicherheit der Menschen verstärkte, ist schwer abzuschätzen.
Kontaminierte Gebiete
Karte zeigt die Caesium-137 Kontamination in Weißrussland, Russland, und der Ukraine. In Curie pro Quadratmeter.Während eines Zeitraums von zehn Tagen wurden große Mengen radioaktiver Stoffe freigesetzt und verteilten sich zunächst über viele Teile Europas und schließlich über die gesamte nördliche Halbkugel.
Etwa 218.000 Quadratkilometer wurden mit einer Dosis von mehr als 37.000 Becquerel (37 kBq) Cs-137 pro km² kontaminiert. Mehr als 70 Prozent dieser Gebiete liegen in Russland, der Ukraine und Weißrussland. In diesen Gebieten lebten zum Unfallzeitpunkt etwa fünf Millionen Menschen, davon zirka 400.000 in Gebieten mit einer Kontamination von mehr als 555 kBq Cs-137 pro km² (was von den Sowjetbehörden als Grenzwert für „strikte Kontrollen“ angenommen wurde). Solche Gebiete gab es nur in den drei genannten Ländern. Dieser Grenzwert wird heute fast nur noch in einem Bereich von 30 km um den Standort erreicht.
Reaktionen auf das Unglück außerhalb der ehemaligen Sowjetunion
In den Ländern außerhalb der damaligen Sowjetunion waren die Reaktionen auf das Reaktorunglück sehr unterschiedlich. So beherrschten in Süddeutschland und Österreich monatelang hitzige Diskussionen über "verstrahlte Lebensmittel" und andere mögliche Verstrahlungen die Öffentlichkeit. Dabei war die grundsätzliche Einstellung zur Kernenergie vielfach wichtiger als Sachargumente. Auch heute noch sind in der Diskussion um Tschernobyl die Grenzen zwischen sachlicher Information, gezielter Verharmlosung und absichtlich geschürter Verängstigung mitunter fließend. Die Katastrophe von Tschernobyl ist für Manche zum Symbol für die Gefahren der Nutzung der Kernenergie geworden und wird von Atomkraftgegnern häufig als Argument für einen schnellen Atomausstieg verwendet. Kernenergiebefürworter beklagen hingegen, dass Tschernobyl als Totschlagargument gegen die Nutzung der Kernenergie missbraucht werde.
In der Folge des Reaktorunglücks von Tschernobyl scheint es einerseits Panikreaktionen gegeben zu haben: Inwieweit z. B. die damaligen Empfehlungen zum Unterpflügen von Feldfrüchten oder Sperren von Kinderspielplätzen angemessen und notwendig waren, wird wohl noch eine Zeit lang umstritten bleiben. Weitgehend anerkannt ist heute allerdings, dass die damaligen Strahlenexpositionen in Deutschland und Österreich meist niedriger und nur in Ausnahmefällen etwa vergleichbar waren mit den Strahlenexpositionen durch Atombombentests vor dem Teststopabkommen. Ein Beispiel der Diskussion in Deutschland war die so genannte „Strahlenmolke“. Einige Molkereien in besonders betroffenen Gebieten waren angewiesen worden, die Molke von der Milch abzutrennen und nicht zu verkaufen, sondern einzulagern, da sich in ihr das radioaktive Cäsium besonders angereichert hatte. Der Vorschlag, diese Molke als Dünger auf Felder aufzubringen (Molke ist ein gutes Düngemittel), hatte keinerlei Chancen auf Umsetzung, obwohl die Radioaktivität der Molke kleiner war als die von manchem marktgängigen Düngemittel, diese Verwendung der Molke also sogar zu einer Verringerung der Radioaktivität auf Feldern geführt hätte. Stattdessen wurde die Molke in teuren, extra errichteten Spezialanlagen über Ionenaustauscher „entsorgt“.
In der Bundesrepublik Deutschland wurden nach Bekanntwerden des Reaktorunglücks die Landwirte aufgefordert, den eigentlich für Anfang Mai anstehenden Umstieg von der Winterfütterung der Milchkühe auf Sommerfütterung (und Weide) noch bis nach den ersten Regenfällen hinauszuzögern (die Katastrophe fiel zusammen mit einer mehrwöchigen Schönwetterperiode, die einerseits das Wachstum der Wiesen sehr anregte, auf der anderen Seite aber auch mit einem stetig blasenden Ostwind die Verbreitung des radioaktiven Staubs nach Westen bewirkte). Später gab es dann eine Ausgleichszahlung für die landwirtschaftlichen Betriebe für die entstandenen Mehrkosten bei der Fütterung.
Auswirkungen Tschernobyls auf Länder außerhalb der ehemaligen Sowjetunion
Andererseits gab es tatsächlich messbare Auswirkungen der Katastrophe von Tschernobyl auch in Westeuropa. So sind beispielsweise auch heute noch in einigen Regionen Deutschlands, insbesondere im Süden, Pilze, Waldbeeren und Wildtiere hoch belastet. Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist die Kontamierung rund zehnmal höher als im Norden Deutschlands. In Deutschland wurden im Muskelfleisch von Wildschweinen Cäsium-137-Werte von bis zu 40.000 Bq/kg gemessen. Der Durchschnittswert beträgt 6.800 Bq/kg und damit mehr als das Zehnfache des EU-Grenzwertes von 600 Bq/kg. Wer seine Strahlungbelastung reduzieren will, sollte auf Waldpilze und Wildtiere verzichten.
In einigen Ländern gelten weiterhin Einschränkungen bei Produktion, Transport und Verzehr von Lebensmitteln, die immer noch durch den radioaktiven Niederschlag von Tschernobyl belastet sind.
Ökonomische Folgen
Die Katastrophe von Tschernobyl verursachte immense Kosten und schadete der Wirtschaft in der Region. Wegen des ökonomischen Umbruchs aufgrund des Zusammenbruchs der UdSSR sind die genauen wirtschaftlichen Auswirkungen Tschernobyls aber kaum zu erheben. Die Kosten haben ein großes Loch in die Budgets der drei beteiligten Länder gerissen.
Besonders betroffene Zweige der lokalen Wirtschaft waren Land- und Forstwirtschaft. So konnten aufgrund der Strahlenbelastung knapp 800.000 Hektar (ha) Land und 700.000 ha Wald nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. Die Landwirtschaft der Region litt und leidet aber auch unter dem „Stigma Tschernobyl“ (kaum Nachfrage nach Produkten aus der Region, kaum private Investitionen).
Weltweit verursachte der Unfall von Tschernobyl erhebliche wirtschaftliche Schäden durch eine Eskalation und Emotionalisierung der Diskussion um radiologische Themen. Der Verlust von Rationalität und die Politisierung der Forschung in diesem Themengebiet führten zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden, da vor dem Eindruck des Unfalls von Tschernobyl politische Entscheidungen zum Ausstieg aus der Atomtechnologie getroffen wurden, die heute mit etwas zeitlichem Abstand wieder aufgehoben werden. Gesellschaftlich werden erhebliche Ressourcen in der – oft wenig sachkundigen – Diskussion um Kernenergie gebunden, die dann für die Fortentwicklung anderer wichtiger Themen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Tschernobyl und die gesperrte Zone nach dem Unfall
Am 2. und 3. Mai 1986 wurden etwa 45.000 Einwohner aus den Gebieten in einem Umkreis von 10 km um den Reaktor evakuiert. Weitere 116.000 Einwohner wurden am 4. Mai 1986 aus dem Gebiet 30 km um den Reaktor evakuiert. In den folgenden Jahren wurden weitere 210.000 Einwohner umgesiedelt, so dass die Sperrzone mittlerweile 4.300 km² groß ist.
Etwa 1.000 Bewohner sind angesichts der wirtschaftlichen Lage trotz der stark erhöhten Strahlungswerte zum Teil schon Wochen nach dem Unglück in die gesperrte Zone zurückgekehrt. Der Grund war für die meisten, dass ihnen weder die damalige Sowjetunion noch der heutige ukrainische Staat in den Orten, in die sie evakuiert wurden, eine ausreichende Lebensgrundlage zur Verfügung stellen konnte. Dazu kommt, dass viele der Rückkehrer die Gesundheitsgefahr durch die Strahlung nicht sehr hoch einschätzten. Da es sich auch damals überwiegend um ältere Leute handelte, ist unklar, wieviele davon an den Folgen der Strahlung starben. Einige heute noch lebende Rückkehrer meinen, es seien "sehr viele gestorben". Einige berichten aber auch, sie hätten auch nach 20 Jahren in der verstrahlten Region keine strahlenbedingten Beschwerden. Im Dorf Tschernobyl selbst, einige Kilometer südlich des Reaktors, leben heute etwa 100 Rückkehrer. 2001 eröffnete auch die orthodoxe Dorfkirche Sv. Ilja wieder, zum Sonntagsgottesdienst erscheinen regelmäßig etwa 30 Gläubige. Alle Rückkehrer wie auch alle Bewohner der „Zone 3“, der Region rund um die Sperrzone, erhalten ab dem Alter von 47 Jahren eine kleine Sonderrente vom ukrainischen Staat in Höhe von umgerechnet 60 US-Dollar im Monat. Unabhängig davon ernähren sich praktisch alle Bewohner der Sperrzone, wie der belasteten, aber nicht evakuierten „Zone 3“, auch aufgrund der Armut und Arbeitslosigkeit vor Ort, von den Waldpilzen und dem vor Ort gezogenen Gemüse und Obst. Die gesundheitlichen Folgen bei den Erwachsenen sind schwer abzuschätzen, vor allem auch deshalb, weil es andere ungünstige Faktoren wie die mangelhafte Ernährung, die schlechte Wirtschaftlage, Alkoholismus und eine steigende AIDS-Rate gibt. Laut Einschätzung des Radiologischen Instituts der Stadt Ivankiv, etwa 50 Kilometer südlich von Tschernobyl, sind nur etwa 3 Prozent der Proben von Gemüse, Obst und Wildfleisch, die die Bewohner dort kostenlos zur Untersuchung einreichen, über die (mit westeuropäischem Niveau im Einklang befindlichen) Grenzwerte hinaus belastet. Die Messwerte schwanken aber sehr stark nach Mikro-Regionen, es gibt einzelne Proben, die enorm hoch belastet sind.
Was die Kinder betrifft, die in „Zone 3“ wohnen, schätzt Prof. Dr. Evgenia Stepanova, Chefärztin der Pedriatrischen Abteilung der 1987 für die Tschernobyl-Opfer gegründeten Klinik für Radiologie in Kiew, ein, dass etwa 90 Prozent der Kinder der Region an strahlenbedingter Immunschwäche leiden. Die Folgen seien insbesondere häufige Erkrankungen aller Art wie Lungenentzündung oder Allergien. Leukämie oder andere Krebserkrankungen bei Kindern träten aber "heute nicht besonders gehäuft" auf. Prof. Dr. Stepanova ist seit 1987 Chefärztin an dieser Klinik, war zuvor als Ärztin eines Krankenhauses in einem sowjetischen Atomkomplex in Sibirien eingesetzt. Das Dorf Tschernobyl ist heute vor allem Wohnort aller Arbeiter und Wissenschaftler, die im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe in der Sperrzone eingesetzt sind. Das Dorf wurde dafür ausgewählt, weil es innerhalb der Sperrzone als verhältnismäßig minderbelastet eingestuft wurde. Das Betreten ist trotzdem nur mit besonderer Genehmigung möglich. Auf Warnschildern wird vor der Gefahr von offenbar gelegentlich auftretenden Staubstürmen im Sommer gewarnt, die stark erhöhte Radioaktivität verbreiten. Für die Bewohner sind dafür in Tschernobyl besondere Schutzräume angelegt, die laut Warnschildern sofort aufgesucht werden sollen und die man nicht verlassen solle, bevor die Stürme sich gelegt hätten oder man gerettet werde. Es gibt dort heute ein kleines Hotel für ausländische Wissenschaftler, auch die Verwaltung der Sperrzone und verschiedene wissenschaftliche Institute der Ukraine haben dort ihren Sitz bzw. Außenstellen. Aus Strahlenschutzgründen wechseln die bei den dauernden Ausbesserungsarbeiten am "Sarkophag" eingesetzten und in Tschernobyl untergebrachten Arbeiter alle 14 Tage. Die Mitarbeiter der Verwaltung haben eine auf Montag bis Donnerstag verkürzte Arbeitswoche, kehren am Wochenende in ihre Wohnorte außerhalb der Sperrzone, meist nach Kiew, zurück. Vor Verlassen der Sperrzone gibt es Kontrollen auf radioaktive Kontamination. Besuchern vor Ort ist es selbst überlassen, wie sie mit der radioaktiven Belastung der Umgebung umgehen. Während insbesondere einheimische Wissenschaftler ungeschützt in der Sperrzone unterwegs sind, trifft man in der am höchsten belasteten Zone im Umkreis von einigen Kilometern rund um den Reaktor auch Experten aus westlichen Ländern mit Atemschutz und Schutzanzügen.
Die Sperrzone von Tschernobyl erscheint heute auf den ersten Blick als Naturparadies. Elche, Wölfe, Hirsche sind hier zahlreich vorhanden, in den 1990er-Jahren wurden hier auch einige vom Aussterben bedrohten Przewalski-Pferde ausgesetzt. Binnen 20 Jahren sind die damals verlassenen Dörfer verwildert und zum großen Teil zugewachsen.
Bis zum Ende der Sowjetunion waren die meisten Folgen vor Ort Staatsgeheimnis. Die Behörden und Experten der heutigen Ukraine, zum Teil sogar mit denselben beteiligten Personen wie Ärzten oder Radiologen, gehen heute offen und sehr auskunftsfreudig damit um. Die Hilfsgelder für die Folgen der Tschernobyl-Katastrophe sind heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Ukraine.
Selbst das zum Teil stark durch Plutonium verseuchte Zentrum der Sperrzone von Tschernobyl wurde in den letzten Jahren auch von Plünderern heimgesucht, obwohl das Gebiet eigentlich abgesperrt, durch Schranken und Kontrollen abgeschirmt ist. Fast alle Wohnungen in der am 27. April 1986 nachmittags binnen Stunden evakuierten Stadt Prypjat sind geplündert, Türen eingeschlagen, Küchenherde und Möbel geraubt. Wildschweine und wildernde Hunde sind auf den ehemaligen und langsam zuwachsenden Straßen anzutreffen. Im Fundus des ehemaligen Theaters der Stadt lagern bis heute die Großplakate mit den Konterfeis der einstigen sowjetischen Politbüro-Mitglieder und zahlreiche Spruchbänder und Fahnen, vorbereitet für die Mai-Demonstration, die am 1. Mai 1986 in der Stadt stattfinden sollte.
Auch die meisten der tausenden 1986 eingesetzten Fahrzeuge und Hubschrauber, die wegen ihrer geringen bis hohen Verstrahlung damals auf einem zentralen "Friedhof" im Sperrgebiet abgestellt wurden, sind trotz formaler Bewachung und Einzäunung ausgeschlachtet und geplündert. Motoren und Windschutzscheiben fehlen, ganze Hubschrauber sind zerlegt und verschwunden.
Der Kernreaktor Tschernobyl heute
Alle drei noch funktionsfähigen Blöcke wurden nach dem Ende der Aufräumarbeiten wieder hochgefahren. Der zweite Reaktorblock wurde im Oktober 1991 nach einem Feuer in der Turbinenhalle abgeschaltet. Block 1 folgte im November 1996, Block 3 am 15. Dezember 2000. Die Abschaltung erfolgte insbesondere auf Druck der Europäischen Union, die Ukraine erhielt dafür entsprechende Ausgleichszahlungen. Die Abschaltung der Blocks von Tschernobyl ist insbesondere auch aufgrund der durch die vom russischen Gasprom-Konzern angeordnete vorübergehende Sperrung der Gasversorgung für die Ukraine Anfang 2006 im Land sehr umstritten, die dem wirtschaftsschwachen Land seine Energiekrise vor Augen führte. Die europaweite Kältewelle Ende Januar/Anfang Februar 2006 forderte in der Ukraine über 800 Kältetote.
Der havarierte Reaktorblock ist heute durch einen provisorischen, durchlässigen "Sarkophag" gedeckelt. Im Inneren ist weitgehend die Situation vom Zeitpunkt der Katastrophe in heißer Form konserviert. Von rund 190 Tonnen Reaktorkernmasse befinden sich Schätzungen zufolge noch rund 150-180 Tonnen im Gebäude, teils in Form geschmolzener und erstarrter Brennelemente aus Uran, Plutonium, Graphit und Sand (es wird auch Elefantenfuß genannt), teils in Form von Staub und Asche, in Form ausgewaschener Flüssigkeiten im Reaktorsumpf und Fundament oder in anderer Form.
Der internationale „Shelter Implementation Plan“ hat als Ziel, einen neuen haltbaren Sarkophag zu errichten. Als erste Maßnahme wurden das Dach des ursprünglichen Sarkophags verstärkt und die Belüftungsanlage verbessert. Der neue Sarkophag soll über dem alten errichtet werden. Dadurch soll es möglich sein, den alten Sarkophag zu entfernen, ohne dass weitere radioaktive Stoffe freigesetzt werden.
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