Quelle
Kein Mann für eine Schublade
VON STEFANIE JOOSS, 07.07.06, 18:08h
Mit Stefanie Jooß, Mitarbeiterin des „Kölner Stadt-Anzeiger”, sprach Schauspieler Sigo Lorfeo über die Vielseitigkeit des Künstlerlebens und seine Begeisterung für Fußball.
Odenthal - Paolo Varese konnte sich nie so recht entscheiden. Erst bandelte der zweifache Familienvater mit Frisörin Urszula an. Kaum hatte er sich von seiner Frau getrennt, um bei Urszula und dem gemeinsamen Töchterchen zu leben, begann der Ober schon wieder eine Affäre: mit der temperamentvollen Kanadierin Pat. Nebenbei wurde der Italiener von der Mafia erpresst und musste sich mit seinen beiden pubertierenden Töchtern herumschlagen. Weil das auf Dauer auf keine Kuhhaut geht, zog Varese vor drei Jahren weg. Weg aus der Lindenstraße in München ins nahe gelegene Moosach.
Seitdem hat Sigo Lorfeo, der den Kellner Paolo aus der „Lindenstraße“ elf Jahre lang verkörperte, wieder Zeit für andere Dinge: Denn neben dem Schauspieler aus der „Lindenstraße“ gibt es Lorfeo, den Theaterschauspieler, den Musiker und den Drehbuchautor. „Die »Lindenstraße« war gut, weil sie ein sicheres Einkommen bedeutete“, sagt er. Aber er habe eben auch viele andere Aufträge ablehnen müssen. „Die Rolle des Paolo wurde außerdem zunehmend unauthentischer.“ Das Bild des Italieners, das dort vermittelt wurde, hat Lorfeo so nicht mehr darstellen wollen. Vor allem, weil die „Lindenstraße“ auch meinungsbildend sei. „Sie hat in der Vergangenheit vieles bewegt.“
Dass Lorfeo, der seit sechs Jahren mit seiner Familie in Odenthal lebt, beruflich ständig auf mehreren Hochzeiten tanzt, ist für ihn nichts Außergewöhnliches: Kunst lasse sich nicht in Schubladen stecken. „Es gibt schließlich auch kaum einen Maler, der nur malt.“ Jeder Künstler habe seine Antennen ständig ausgestreckt, um Ideen aus dem Äther aufzusaugen und zu konkretisieren, sagt er. Dass daraus nicht immer ein Erfolg wird, schreckt den 53-Jährigen nicht ab. „Als Schauspieler habe ich im Moment das Problem, dass ich für einige Rollen zu alt bin, für andere zu jung aussehe.“ Man müsse seinem Glück eben ständig auf die Sprünge helfen. „Angst ist dabei ein unbequemer Weggefährte.“ Sie zwinge einen dazu, sich „nur im eigenen Bau zu verkriechen“.
Seinen Hang zur Schauspielerei entdeckte Lorfeo, der aus Apulien in Süditalien stammt, in den 70er Jahren. „Ich habe früher viel und gerne diskutiert. Aber ich konnte keinen Satz zu Ende sprechen“, erklärt er. Schnell habe er gemerkt: „Wenn ich auf einem 40 Zentimeter hohen Podest stehe, kann ich den größten Mist erzählen und trotzdem hören mir alle zu.“ Gedanken zu äußern, mit denen sich die Welt verändern lässt - ohne dass ihn jemand dabei unterbricht: Vor allem darum sei es ihm gegangen. So war das eben in den 70ern.
Heute schätze er an seinem Beruf eher die „Erkenntnisse“, die er aus der Schauspielerei gewinne. Lorfeo sagt: „Der Mensch verhält sich so, wie er von anderen gesehen werden will. Aber ein Mensch ist kein glatter Monolith, er hat tausend Facetten.“ Die Schattenseiten, die er im normalen Leben lieber versteckt, kann er in seinen Rollen ausleben.
In Zukunft will sich der Wahl-Odenthaler mehr auf die Musik konzentrieren. Sein erstes Album „Momenti Casuali“ erschien 1997. Weitere sollen folgen - allerdings auf Deutsch: „Italienisch versteht hierzulande fast niemand.“ Daneben schreibt Sigo Lorfeo an einem Drehbuch. Aber über ungelegte Eier solle man nicht reden, winkt er ab.
Ungeklärt wird wohl die Frage bleiben, wie der Italiener neben seinen Berufen Zeit für die zahlreichen Hobbys findet: Er spielt Gitarre, Querflöte und Saxophon, macht Karate und Tai Chi, ist leidenschaftlicher Hobbykoch, spricht Italienisch, Spanisch, Englisch und Französisch, und nicht zuletzt ist er ein Fußball-Fan. Lorfeos Herz schlägt für den SV Altenberg. Hauptsächlich allerdings deshalb, weil sein Sohn dort in der B-Jugend spielt. Jeden Samstag feuert Lorfeo seinen 15-jährigen Sprössling auf den Fußballplätzen im Bergischen an. „So lerne ich gleichzeitig die liebliche Gegend hier kennen“, sagt er und versucht, möglichst viele Ortsnamen aufzuzählen: „Bechen, Kürten, Blecher . . .“
Ansonsten verfolgt Sigo Lorfeo die deutsche Bundesliga. „Ich halte es dabei eher mit den kleinen Vereinen.“ Sein Favorit ist im Moment der 1. FSV Mainz 05. „Wenn die gegen Bayern einen Punkt machen, freue ich mich.“ Positiv sieht Lorfeo, dass in den vergangenen Jahren die Regeln im Fußball strenger wurden. Dass Fußball eigentlich „Kunst“, ja sogar „Ballartistik“ sei, so schwärmt er, komme seitdem viel stärker zum Vorschein. „Das ist es, was mir Freude am Fußball macht, unabhängig von der Mannschaft.“
In Sachen Weltmeisterschaft glaubt Sigo Lorfeo fest, dass seine Landsleute die Nase vorn haben werden. „Italien hat im Moment sehr gute Spieler.“ Und außerdem sei ein Sieg nur gerecht: „Deutschland wurde schließlich 1990 in Italien Weltmeister.“
(KStA)